Was ist Sprachgestaltung?

In Zeiten des sich selbst ad absurdum führenden "Raubtierkapitalismus", in Zeiten
des "Schneller, Höher, Weiter, Mehr", in Zeiten der gigantisch gewordenen Gier,
suchen wir durchzubrechen in eine neue, andere Zeit. Keimhaft zeigt sie sich
am Horizont, bewusst will sie von jedem von uns ergriffen und gestaltet werden.

Sprachgestaltung ist eine Kunst, die uns ein Zeitfenster für das Kommende öffnen
kann. Bewusst versuchen wir, Zeit zu gestalten, uns selbst zu erlauschen im lebendigen
Ausdruck unseres Seins.
Wir entdecken die Sprache in der Gebärdenhaftigkeit ihrer Silben und Laute, erleben, wie
unser Atem in ihren Rhythmen gesundet, wie unsere Stimme Wohlklang und Kraft erfährt.

Im lauschend-sprechenden Erüben von Literatur (Epik, Lyrik, Dramatik) finden wir
die künstlerischen Ausdrucksformen der Rezitation, Deklamation und Konversation.
Wir erfahren uns selbst und den anderen und entdecken unser kreatives
Potenzial, das wir im Gestalten des sozialen Miteinander so dringend brauchen.
Wir öffnen uns für das Kommende und am Horizont blitzt der "Urbeginn" auf, in dem
schon immer das Wort war.

 

Die Entwicklung der Sprachgestaltung begann 1910 durch die Zusammenarbeit des
Geisteswissenschaftlers Rudolf Steiner und der Schauspielerin Marie Steiner-von Sivers.
Die Grundlage der Sprachgestaltung ist die Anthroposophie Rudolf Steiners.
Steiner entwickelte ein reichhaltiges Sprachübungsgut.
Die Umsetzung von geschriebener Dichtkunst in hörbare Wort- und sichtbare
Schauspielkunst wird alleine oder in Gruppen (z. B. Sprechchören) erübt.
Sprachgestaltung gibt es als sprachkünstlerische Therapieform und sie ist wirksam auf dem
Gebiet der Pädagogik. Neue Aufgaben erschließen sich ihr mit dem Wandel der Zeiten.

J. König