Aus der Schleswig-holsteinischen Landeszeitung vom 04.05.2002, S. 11

Ein neuer Ohrwurm

Uraufführung des "Zauberlehrlings" begeisterte

 

So viel Abwechslung erlebt man selten: Mit dem G-DUR-Violakonzert von Georg Friedrich Telemann stand ein barockes Konzert am Anfang des Abends in der Freien Waldorfschule. Es folgten ein jazzig angehauchtes "In the mood", ein Streifzug ins Musical mit "Les Miserables" von Claude Michel Schönberg und "Take Five" von Paul Desmond als Orchesterfassung. Johannes König trug im zweiten Teil anlässlich der Uraufführung einer für die Waldorfschule in Rendsburg komponierten Kantate den dazugehörigen Text aus Goethes "Zauberlehrling" vor.

Wer befürchtete, das Publikum würde überfordert, wurde im Konzert des Seminar- und Eltern-Lehrer-Freunde-Chores mit dem durch Gäste erweiterten Oberstufenorchester der Waldorfschule sowie Daniel Burjanek und Arnold Nevolovitsch an zwei Flügeln eines Besseren belehrt.

Solobratschistin Sabine Weber gab deutlich und dynamisch den Ton in Telemanns Viola-Konzert an. Das erste Werk des Abends - von Thomas Nick am Cembalo mit sparsamen Handbewegungen dirigiert - gewann trotz eines eher zurückhaltenden Tempos durch das sichere und präsente Spiel der jungen Künstlerin. Dass Schulorchester nicht nur Uralt-Musik spielen, bewiesen die drei nachfolgenden Werke aus dem vergangenen Jahrhundert - eine reife Leistung.

Der zweite Teil des Konzerts gehörte allein dem "Zauberlehrling": Eine Komposition, die im Auftrag der Waldorfschule mit Unterstützung durch das Kultusministerium und den Landesverband der Musikschulen Schleswig Holstein entstand. Wer glaubte, dass im Jahr 2002 komponierte Musik nichts mit gut anhörbaren Klängen zu tun hat, wurde mit dem Werk des 1953 in St. Petersburg geborenen, in Lübeck lebenden Arnold Nevolovitsch eines Besseren belehrt. Zuvor rezitierte Johannes König den Original-"Zauberlehrling": Unglaublich, wie sehr er das Publikum in den Bann des Goethe-Textes zog, der sein eigenes Werk zu sein schien. Sah man dem Sprecher in die Augen, waren Zauberlehrling, Besen und Wasser präsent.

Dieselbe Qualität hat das neue Musik-Werk. Ursprünglich für großes Orchester geschrieben, wurde aus dem etwa 16-minütigen Stück während der Proben eine für das Oberstufenorchester leichter spielbare Fassung in der Besetzung mit 2 Flügeln, Bläsern, Schlagzeug und Chor. Diese Musik zeigte, in welcher Qualität am St. Petersburger Konservatorium gelehrt wird und wie gut Arnold Nevolovitsch die Regeln der musikalischen Emotionen beherrscht. Zauberkräfte in Zauberwelten wurden spürbar. Man hörte und fühlte, wie dem Zauberlehrling die Kräfte entglitten.

Die Zuhörer erklatschten sich zwei Zugaben. Die Geister, die sie riefen, wollten sie gar nicht loswerden; der Zauberlehrling hatte sich schon als Ohrwurm festgefressen.

                                                                                                                                            Reinhard Frank

 

 

Zauberhaftes Musikcafe im Barloher Forst

 

Geisterbeschwörung, Gnomenreigen und Goethe-Balladen - mitten im Barloher Forst wurde zwar kein Hexensabbat, aber doch ein ziemlich unheimliches Musikcafé abgehalten. Im dämonischen Einsatz: Reinhard Frank, Pastorin Ute Ehlert-In sowie Almut und Johannes König.

Wenn Verdis "Macbeth"-Hexenchor mitten im Barloher Forst in dämonischer Lautstärke aus dem CD-Player eines VW-Busses erklingt und einige Dutzend Musikfreunde dem bei Brezeln und Rhabarberkuchen andächtig lauschen, dann muß man sich nicht unbedingt bei einem Kaffeekränzchen der örtlichen Satanisten wähnen. Es kann sich auch um eine Veranstaltung des Rendsburger Musikvereins und der Erwachsenenbildung im Kirchenkreis handeln. Um ein Musikcafé genauer gesagt, und zwar um eines, das die Organisatoren Reinhard Frank und Ute Ehlert-In zur Abwechselung einmal vom Blockhaus der Kirchengemeinde Todenbüttel "nach draußen, und richtig nach draußen" verlegen wollten.

Das Thema lautete "Hexen, Geister und Dämonen". Die manchmal als "teuflisch" gebrandmarkte Macht der Musik sollte in Theorie und Praxis behandelt werden. Und als passenden Ort für dieses mehr oder weniger gottlose Treiben hatte Reinhard Frank die Musikcafé-Fans an einen "ungewöhnlichen Ort, der aber doch einen gewissen Zauber hat", gelotst: in die ehemalige Sandkuhle der Barloher Forstes, wo eine Waldhütte sowie Tische und Bänke für ein geeignetes Picknick-Ambiente sorgten.

Was der zauberhafte Ort nicht bot, war Hifi-Hightech. Aber da zeigte der Musikvereins-Vorsitzende Improvisationstalent. Nachdem eine erste Konstruktion mit im freien Feld postierten Boxen Mängel im hohen Dezibelbereich offenbart hatte, entschied Reinhard Frank, "dass wir es wie die Loddel auf St. Pauli machen": Fortan liefen die dämonischen Klangbeispiele über den PKW-CD-Player und die Musik scholl aus den Lautsprechern der geöffneten VW-BUS-Seitentüren.

Für den theoretischen Teil war Ute Ehlert-In zuständig. Nachdem der "Gnomenreigen" des Paganini-nahen Komponisten Antonio Baccini (19. Jahrhundert) verklungen war, erinnerte die Pastorin daran, dass es bis 1765 noch Hexenverbrennungen in Deutschland gegeben hat. Ihre Erläuterungen zur Mai-Königin Walpurgis (Heilige, die der Legende nach von 710 bis 779 lebte, Walpurgis ist am Vorabend zum 1. Mai) machten deutlich, was Frank schon zum Auftakt bereitwillig zugegeben hatte: "Wir kommen mit unserer Walpurgisnacht vier Wochen zu spät, dafür ist das heute ein gutes Training für die Walpurgisnacht 2003."

Aus der Mendelssohnschen "Ersten Walpurgisnacht" gab es den "Chor der Wächter", den Hexenchor aus Verdis Oper "Macbeth", und dann verriet die Wassernixe Rosalka (in der Dvorákschen Vertonung), wie sie aus Drachenblut, Taubengalle und "Herzen, die noch schlagen" einen "feinen Saft" zusammenbraut.

Dass es auch bei Goethe ab und an recht dämonisch zugeht, bewies das Sprachkünstler-Ehepaar Almut und Johannes König. Erst rezitierte sie ausdrucksstark den von einem "feuchten Weib" bedrängten "Fischer" (mit den berühmten Versen: "Halb zog sie ihn, halb sank er hin"), dann er den "Zauberlehrling" (Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los"), dann beide im Duett den "Erlkönig" ("Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt).

Klar, dass Frank die musikalischen Umsetzungen dabeihatte: Franz Schuberts "Zauberlehrling" und den "Erlkönig" von Paul Dukas. Den Abschluss bildete nach zweieinhalb Stunden die Vertonung eines Hexensabbats: "Die Nacht auf dem Kahlen Berge" von Modest Mussorgsky.

(Aus der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung v.28.05.2002)

 

 

 

Bericht über das Ursonaten-Projekt aus der
Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung vom 18.09.02:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Artikel der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung vom 9. Juli 2010

9. Juli 2010 | Von Daniel Kolzer

Zeitloser Bühnenstoff: Szene aus dem Stück "Einer flog über das Kuckucksnest" der 12. Klasse der Freien Waldorfschule Rendsburg.
Zuschauer für eine Veranstaltung in einem Innenraum zu begeistern, ist in diesen Sommertagen nicht einfach. Umso mehr freute sich das junge Team, dass neben Eltern und Verwandten auch viele Freunde, Bekannte und Schüler anderer Rendsburger Schulen den Weg in das diesjährige Klassenspiel der 12. Klasse der Freien Waldorfschule Rendsburg gefunden hatten.

Mit dem Stück "Einer flog über das Kuckucksnest" von Dale Wassermann, welches 1962 für viel Aufregung wegen seines schonungslos-realistischen Blicks in die psychiatrische Anstaltspraxis gesorgt hatte, suchten sich die Schülerinnen und Schüler ein Schauspiel aus, das zeitlos-aktuell ist. Sind auch heute die Behandlungsmethoden und Einrichtungen für psychisch kranke Menschen ungleich viel besser als vor 40 Jahren, so bleiben die sozialen und gesellschaftlichen Hintergründe des Umgangs miteinander nach wie vor unbeantwortet, Inklusion häufig noch eine vage Zielvorstellungen.

Die Schüler näherten sich diesem schwierigen Thema mit einem Stück, das - trotz dankbarer, jugendkonformer Dialoge - nicht einfach zu spielen ist. Selbstdarstellung abzulegen, sich in die gegebene Rolle hineinzufinden, dieser Figur einen kreierten, im Ensemble reflektierten und doch persönlichen und realistischen Ausdruck zu geben, sind Übungen, die weit über das reine Auswendiglernen, was häufig mit Theaterspielen assoziiert wird, hinausgehen.

Das Neuerlernen von Bewegung, Haltung, Gang und das Aufeinanderhören sind Lernschritte, die die Schüler sich mit Bravour angeeignet haben - und die ihnen sicher in ihrem späteren Leben noch hilfreich sein werden. Die schlüssigen Darstellungen der beiden Ensemble-Besetzungen von "Einer flog über das Kuckucksnest" überzeugten mit ihren eigenen Interpretationsansätzen und dem flüssigen Spiel und ließen die gut zweistündigen Aufführungen wie im Fluge vergehen. Die Zuschauer dürften angenehm überrascht die sensible und doch eruptive Auseinandersetzung der Jugendlichen mit dem Thema gut in Erinnerung behalten.

 

 

 

 

 

 

 

aus "Konturen"

Dezember 2015 - Schulzeitung der Freien Waldorfschule Kaltenkirchen